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Region Süderelbe

Der ehemalige Ortsamtsbereich Süderelbe umfasste ein Gebiet, das von alters her in Teilen zum Alten Land in der Elbmarsch gehörte und heute Teil des Bezirks Harburg in der Freien und Hansestadt Hamburg ist. Die Gemeinden Cranz, Neuenfelde und Francop lagen im Landkreis Jork, während die weiteren Gemeinden des Ortsamtsbereichs bis 1937 im Landkreis Harburg lagen. Erst durch das Groß-Hamburg Gesetz von 1937 wurden die Gemeinden Altenwerder, Cranz, Fischbek, Francop, Neuenfelde, Neugraben aus den Landkreisen Jork und Harburg in der preußischen Provinz Hannover herausgelöst und zu Stadtteilen Hamburgs. Lediglich Moorburg gehörte schon seit dem Mittelalter zu Hamburg, da Hamburg dieses Gebiet erworben hatte, um von hier aus den überwiegend durch die Süderelbe verlaufenden Schiffsverkehr zur Norderelbe und zum eigenen Hafen zu drängen.
Zu den Stadtteilen

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Die Drei Meilen im Alten Land

Im 12. Jahrhundert begannen holländische Kolonisten damit, von Stade ausgehend in Richtung Osten die Elbmarsch zu kultivieren, indem sie Deiche bauten und Entwässerungsgräben anlegten. Das Gebiet reichte bis nach Francop und wurde durch die drei Flüsse Schwinge, Lühe und Este in drei Abschnitte unterteilt, die sogenannten Meilen. Die Entwässerung der Marsch ermöglichte einerseits die landwirtschaftliche Nutzung der so gewonnenen, ertragreichen Flächen, führte andererseits jedoch zu einem Absinken des Marschbodens. Das hatte wiederum zur Folge, dass die Wirkungen der Gezeiten und die Gefahren von Sturmfluten stärker wurden, so dass im Alten Land der Deichbau und die Deichunterhaltung über Jahrhunderte zu den ständigen Herausforderungen gehörten. Als Reaktion auf die große Sturmflut von 1962 wurden an Schwinge, Lühe und Este zudem Sperrwerke gebaut, um den Gefahren von Sturmfluten entgegen zu wirken.

Kurhannoversche Landesaufnahme 18. Jahrhundert. Quelle: Auszug aus den Geodaten des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen

Die Dörfer in der Marsch

Cranz – westlich der Este gelegen – gehörte zur zweiten Meile des Alten Landes, Neuenfelde und Francop zur dritten Meile. Die ersten urkundlichen Erwähnungen dieser Dörfer liegen im Mittelalter und damit deutlich früher als für die Dörfer auf der Geest. In den Urkunden wurden oftmals Vereinbarungen zum Besitz von Land und zu den auf diesem Land erzielten Erträgen festgehalten, deutliche Hinweise darauf, dass es sich um wertvolle Böden für die landwirtschaftliche Nutzung handelte.
Kurhannoversche Landesaufnahme 18. Jahrhundert. Quelle: Auszug aus den Geodaten des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen

Kurhannoversche Landesaufnahme 18. Jahrhundert. Quelle: Auszug aus den Geodaten des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen

Geestrand-Dörfer

Im 16. Jahrhundert begannen die Ämter Moisburg und Harburg, beiderseits der zwischen Ihnen liegenden Grenze Höfe anzulegen, die später zu Siedlungen wurden. Sie lagen am Rand der Geest am Übergang zur Elbmarsch, markiert durch eine Linie, die entlang des alten Weges nach Buxtehude etwa dem Verlauf der heutigen Bundesstraße 73 (Cuxhavener Straße) folgte. Fischbek und der Teil Neugrabens westlich des Scheidebaches – parallel zum heutigen Falkenbergsweg verlaufend – gehörten zum Amt Moisburg, dessen Landesherr der Herzog zu Braunschweig und Lüneburg war. Hausbruch, Wiedenthal und der östlich des Scheidebaches gelegene Teil Neugrabens gehörten dagegen zum Herrschaftsgebiet des Harburger Herzogs. Erst im 19. Jahrhundert, nachdem Preußen die Herrschaft über dieses Gebiet übernommen hatte, wurden Fischbek und das westliche Neugraben zu einer Landgemeinde zusammengefügt, während das östliche Neugraben, Hausbruch und Wiedenthal die Gemeinde Neugraben im Landkreis Harburg bildeten.
Hamburg 1938

Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Hansestadt Hamburg 1952

Das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937

Das Ziel der nationalsozialistischen Reichsregierung war es, Deutschland innerhalb weniger Jahre in die Lage zu versetzen, einen Krieg zu führen. Diesem Ziel diente der zweite Vierjahresplan von 1936, mit dem die deutsche Wirtschaft effizienter organisiert werden sollte, um so die Voraussetzung für den geplanten Krieg zu schaffen. Auch das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 ist in diesem Zusammenhang zu sehen: Die Entwicklung des Hamburger Hafens sollte nicht durch Schwierigkeiten auf der Ebene der Verwaltungen von Preußen und Hamburg und durch unterschiedliche Interessen Hamburgs und seiner Nachbargemeinden gebremst werden. Stattdessen sollte Hamburg durch die Erweiterung des Staatsgebietes mit Altona und Wandsbek sowie südlich der Elbe die Möglichkeit erhalten, die Entwicklung seiner Wirtschaft und des Hafens mit einer einheitlichen Planung voranzubringen. Die Folge war, dass neben der Industriestadt Harburg auch die Region Süderelbe aus dem preußischen Staatsgebiet gelöst und Teil Hamburgs wurde.
Harburger Anzeigen und Nachrichten 1. August 1932 (Deutsches Zeitungsportal)

Harburger Anzeigen und Nachrichten 1. August 1932 (Deutsches Zeitungsportal)

Zustimmung zum Nationalsozialismus

In Süderelbe war vor 1933 wie auch in anderen Regionen Deutschlands zu beobachten, dass die NSDAP bei Reichstagswahlen besonders dort Stimmenzuwächse verzeichnete, wo die Bevölkerung vorwiegend in der Landwirtschaft tätig war. Beispielsweise erreichte die NSDAP in Hausbruch am 14. September 1930 230 Stimmen und am 31. Juli 1932 330 Stimmen. Aber auch in Orten mit einem höheren Anteil von Arbeitern erzielte die NSDAP große Erfolge, wie z.B. in Altenwerder, wo im gleichen Zeitraum die Zahl der für die NSDAP abgegebenen Stimmen von 270 auf 523 Stimmen stieg.

Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg

In ganz Hamburg gab es in den Jahren von 1939 bis 1945 weit über 1200 Lager für Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, die bei nahegelegenen Betrieben oder in der Landwirtschaft Zwangsarbeit leisteten. Derartige Lager gab es in Süderelbe an zahlreichen Orten. Häufig waren es kleinere Lager für weniger als 100 Personen wie z.B. die Sporthalle am Opferberg, doch gab es am Falkenbergsweg neben anderen Lagern ein Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme, in dem 500 jüdische Frauen festgehalten und zur Arbeit bei dem Bau der Behelfsheim-Siedlung in Neugraben gezwungen wurden.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs

Nachdem es im Landkreis Harburg noch einigen Widerstand gegen die vorrückenden Verbände der 7. Britischen Panzerdivision gegeben hatte, wurde Süderelbe wie ganz Hamburg ohne weitere Kampfhandlungen den britischen Streitkräften übergeben. Sinnlose Kämpfe mit vielen Toten gegen einen weit überlegenen Gegner, wie es sie von deutscher Seite noch in den letzten Kriegstagen z.B. bei Vahrendorf gegeben hatte, gab es in Süderelbe nicht. Die britischen Soldaten befreiten in den letzten Kriegstagen die in einem Offiziersgefangenenlager am Rostweg inhaftierten belgischen Offiziere und übernahmen nach der Kapitulation Hamburgs am 3. Mai 1945 schrittweise die Kontrolle über das öffentliche Leben in der Region.

Bevölkerungsentwicklung nach 1945

Während Süderelbe im Jahr 1939 rund 14.000 Einwohner hatte, wurden bei der Volkszählung am 29.10.1946 mehr als 21.000 Einwohner gezählt – ein Zuwachs um 50%. Diese Einwohnerzahl ist das Ergebnis einer Entwicklung, die bereits in den 20er Jahren einsetzte und sich als Folge der durch den Bombenkrieg in Hamburg hervorgerufenen Zerstörungen in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs verstärkte. Viele Menschen, die ihre Wohnung verloren hatten, zogen in den Süden Hamburgs, wo seit 1943 Siedlungen mit „Behelfsheimen“ entstanden und Grundstückspreise vergleichsweise niedrig lagen. Auch Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemals deutschen Ostgebieten und aus der sowjetischen Besatzungszone und später der DDR trugen zum Wachstum der Wohnbevölkerung bei. In den 50er Jahren, besonders aber in den 60er und 70er Jahren, wurde die Zuwanderung durch den Bau von Reihenhäusern und Wohnquartieren mit mehrgeschossigen, überwiegend im Besitz städtischer Unternehmen befindlicher Großsiedlungen gefördert. Heute hat Süderelbe mehr als 57.000 Einwohner, von denen etwa die Hälfte einen Migrationshintergrund haben.

Literatur über Region Süderelbe in der Bibliothek der Geschichtswerkstatt (Auswahl)

Geschichtliche Nachrichten über Moorburg, Finkenwärder, Altenwerder, Lauenbruch, Ochsenwärder, Moorwärder, das Alteland u.s.w.

Theodor Beneke (Blankenese 1919)

Ursprung und Namen der Geestrand-Orte zwischen Harburg und Buxtehude : Hausbruch, Wiedenthal, Neugraben, Fischbek, Neu Wulmstorf, Ovelgönne, Brillenburg, Sanderei, Lüneburger Schanze

Artur Conrad Förste (Moisburg über Buxtehude 1973)

Süderelbe. Region der Gegensätze

Karsten Broockmann/Michael Zapf (Hamburg 1996)

Zwischen Deich und Heide : Bilderbogen Süderelbe

Ralf Burmester (Neugraben 1985)

Harburg und der süderelbische Raum

Dietrich Kausche (Köln 1967)

Der Landkreis Harburg 1918-1949. Gesellschaft und Politik in Demokratie und nationalsozialistischer Diktatur

Dirk Stegmann (Hrsg.) (Hamburg 1994)