Menu

Max Leuteritz (1884 - 1949)

Jugend, Schule und Ausbildung

Max Leuteritz wurde am 27. April 1884 in dem sächsischen Dorf Ockrilla (Landkreis Meißen) geboren. Sein Vater arbeitete als Zimmermann, die Mutter musste zeitweilig als Haushaltshilfe bei Bauern dazuverdienen. Das Geld war trotzdem knapp, deswegen betrieben sie nebenbei noch eine kleine Landwirtschaft, bei der auch die Kinder mithelfen mussten. Er besuchte die Volksschule und machte anschließend von 1898 bis 1901 eine Ausbildung zum Maurer und Stuckateur in Meißen.

Das Geburtshaus in Ockrilla (Quelle: Fotoalbum Leuteritz, Privatbesitz)

Auf Wanderschaft

Nach seiner Gesellenprüfung ging er angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit und sinkender Löhne auf Wanderschaft quer durch Deutschland und arbeitete einige Jahre lang an verschiedenen Orten in seinem Beruf als Maurer. Dabei lernte er sehr unterschiedliche Regionen kennen und sammelte einen breiten Schatz an Erfahrungen. In seinem Arbeitsbuch aus der Zeit des Nationalsozialismus ist vermerkt, dass er in den Jahren von 1903 bis 1910 seine fachliche Ausbildung an Baugewerkschulen in einer Reihe weit auseinander liegender Orte fortsetzte.

Beruf, Gewerkschaft und SPD

Nach der Gesellenprüfung trat Max Leuteritz dem Maurerverband bei, einer freien Gewerkschaft. Der Maurerverband bot wandernden Gesellen in zahlreichen Städten Unterkünfte an, so dass Max Leuteritz dort nicht nur wohnen konnte, sondern auch auf andere Arbeiter traf, die in der gleichen Situation waren und auch der Gewerkschaft angehörten. Er übernahm in verschiedenen regionalen Untergliederung des Maurerverbands Funktionen als Vorsitzender (u.a. Dortmund und Bochum). In Dortmund fand er schließlich für längere Zeit Arbeit. Von April 1910 bis März 1913 war er Angestellter im Zentralbüro des Bauarbeiterverbands in Hamburg. Als überzeugter und engagierter Gewerkschafter war er bereits 1902 in die SPD eingetreten, deren Vorsitzenden August Bebel er als Vorbild und Leitfigur ansah.

Quelle: Fotoalbum Leuteritz, Privatbesitz

Alma

In dem 1918 veröffentlichten Roman "Alma" verarbeitete Max Leuteritz seinen Werdegang von der Jugend in Ockrilla, seine Wanderschaft als Maurergeselle von Ockrilla/Meißen bis Dortmund, Bochum, Münster und schließlich Hamburg und sein gewerkschaftliches Engagement. Das einzige überlieferte Exemplar befindet sich in der Deutschen Nationalbibliothek (Standort Leipzig), ein Digitalisat befindet sich im Archiv der Geschichtswerkstatt.

Soldat im Ersten Weltkrieg

In den Jahren von 1905 bis 1908 leistete Max Leuteritz den Militärdienst in einem Reiterregiment, zu dem er im Ersten Weltkrieg erneut eingezogen wurde. Seine Einheit war in Frankreich in der Champagne eingesetzt, von wo aus er sich wiederholt im sozialdemokratischen Hamburger Echo mit Beiträgen zu Wort meldete, in denen er u.a. zur Einigkeit der Arbeiterbewegung und zur Bewilligung weiterer Kredite für die Fortsetzung des Krieges aufrief.

Quelle: Fotoalbum Leuteritz, Privatbesitz

In der Hamburger SPD

Nach der Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg wählte die Hamburger SPD Max Leuteritz im Januar 1919 zu ihrem Vorsitzenden. Mit seiner langjährigen Erfahrung in der Gewerkschaft und seiner Grundposition, mit der er wie die meisten SPD-Politiker eher zum rechten Flügel der Partei neigte, entsprach er recht gut den Erwartungen der Hamburger SPD. Anders als heutige Parteivorsitzende übernahm er in erster Linie die Aufgabe, als eine Art Verwaltungsangestellter dafür zu sorgen, dass die Organisation der Partei funktionierte. Er erwies sich als zuverlässiger Manager, der den Parteiapparat souverän beherrschte, ohne dabei mit inhaltlichen und strategischen Leitgedanken die Richtung der Partei zu bestimmen. Stattdessen vertrat er die Hamburger SPD auf Parteitagen, organisierte Wahlkämpfe und arbeitete unermüdlich an der Darstellung sozialdemokratischer Positionen auf Parteiversammlungen und auf öffentlichen Veranstaltungen. Folgt man den Nachrichten in der sozialdemokratischen Presse dieser Jahre, so verging kaum eine Woche, in der nicht als Redner auftrat und dabei ein breites Spektrum an Themen von der Französischen Revolution bis zum Wohnungsbau in Hamburg behandelte. Am Ende der 1920er Jahre wurde in der SPD jedoch besonders von der jüngeren Generation mehr außerparlamentarische Initiative, mehr Flexibilität und Aktivität gefordert, so dass Max Leuteritz wegen der Kritik an seiner vor allem auf Zusammenhalt und Organisation der Partei ausgerichteten Tätigkeit sein Amt 1929 aufgab.

Positionen

Wie die große Mehrheit der Sozialdemokraten in Hamburg wandte Max Leuteritz sich in der Revolution von 1918/19 gegen die Idee einer Räterepublik nach sowjetischem Vorbild und trat für die parlamentarische Demokratie ein, in der eine aus freien Wahlen hervorgegangene Parlamentsmehrheit über die Regierung und Gesetze entscheidet. Neben zahlreichen Reden zeigt besonders sein Beitrag für die 1927 erschienene Darstellung "Der Kampf um das Rathaus" seine Auffassung. Diese Position machte ihn, wie zuvor sein Eintreten für die Kriegskredite im Ersten Weltkrieg, zu einer Zielscheibe linksradikaler und kommunistischer Agitation. Aber auch Angriffe der NSDAP und ihrer Presse richteten sich gegen ihn.

In der Hamburgischen Bürgerschaft und Direktor der Beleihungskasse

Von 1919 bis 1933 war Max Leuteritz SPD-Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft. 1928 wurde er zum Präsidenten der Bürgerschaft gewählt und war damit bis 1931 einer der höchsten Repräsentanten des Staates. 1929 wurde Max Leuteritz zum Direktor der hamburgischen Beleihungskasse ernannt, die für die Finanzierung des Wohnungsbaus mit öffentlichen Mitteln zuständig war.

Max Leuteritz nahm im Juli 1930 auf der Moorweide an der Parade der Hamburger Ordnungspolizei zum Verfassungstag teil. Das Foto zeigt in Zivil (von links) Polizeipräsident Campe, Bürgerschaftspräsident Max Leuteritz, Bürgermeister Ross, Polizeisenator Adolph Schönfelder sowie in Uniform Polizeioberst Lothar Danner (2. von rechts) und Polizeioberst Carl Friederichs beim Abschreiten einer Ehrenformation einer Radfahrbereitschaft der kasernierten Ordnungspolizei . (Quelle: Fotoalbum Leuteritz, Privatbesitz)

Verfolgung 1933-1945

Gleich zu Beginn der NS-Herrschaft in Hamburg entließen die neuen Machthaber Max Leuteritz bei der Hamburgischen Beleihungskasse, und im März und erneut im Mai 1933 wurde er für einige Tage im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel in Haft genommen. Er verlor sämtliche Erwerbsquellen und musste andere Wege finden, den Lebensunterhalt seiner Familie zu finanzieren. Dazu diente das Haus Föhrengrün, das er in Neugraben baute und in dem er mit seiner Frau eine Pension betrieb. Mit diesem Schritt entzog er sich zunächst der unmittelbaren Beobachtung durch die Hamburger Gestapo, da Neugraben zu dieser Zeit in der preußischen Provinz Hannover lag. Das schützte ihn jedoch nicht davor, 1944 verhaftet und in das KZ Fuhlsbüttel eingeliefert zu werden, als die NS-Machthaber als Reaktion auf den versuchten Staatsstreich der Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 in der "Aktion Gewitter" am 22. und 23. August 1944 zahlreiche ehemalige Funktionäre und Mandatsträger demokratischer Parteien in Haft nahmen, die in der Zeit der Weimarer Republik als Gegner des Nationalsozialismus aufgetreten waren.

Haus Föhrengrün

Bereits in den 1920er Jahren hatte Max Leuteritz von Bauer Borchers in Neugraben ein Grundstück gepachtet, auf dem er eine Holzhütte mit einer Wasserpumpe und einem kleinen Obstgarten gebaut hatte. Hier verbrachte die Familie besonders im Sommer gerne die Wochenenden. In den 1930er Jahren war die Situation nach dem Verlust von Arbeit und Einkommen jedoch eine ganz andere. Nach eigenen Plänen baute Max Leuteritz das "Haus Föhrengrün", das groß genug war, um darin zu leben und eine einträgliche Ferienpension zu betreiben. Gleichzeitig bot sich die Möglichkeit, hier verfolgte Parteigenossen und auch Juden als Gäste willkommen zu heißen.

Max Leuteritz beim Ausheben der Baugrube für das von ihm geplante Haus Föhrenrgün (Quelle: Fotoalbum Leuteritz, Privatbesitz)

Nach 1945

In der Zeit des Nationalsozialismus hat Max Leuteritz ein zurückgezogenes Leben geführt. Er war weder zu einem Täter oder Mitläufer noch zu einem Nutznießer des NS-Regimes geworden. Diese Verweigerung und seine Tätigkeiten vor 1933 qualifizierten ihn in den Augen der britischen Militärverwaltung für die Aufgaben, die mit dem Wiederaufbau Hamburgs verbunden waren. Er wurde im Juli 1945 zum Leiter der Bauverwaltung ernannt und war damit Senator. Allerdings musste er sein Amt im Februar 1946 auf Anweisung der britischen Militärverwaltung wieder räumen, vermutlich weil es in der Baubehörde zu viele Mitarbeiter mit einer NS-Vergangenheit und Querelen wegen der Zusammenarbeit mit Architekten gab, die von 1933 - 1945 als Nationalsozialisten und Nutznießer des NS-Regimes in Erscheinung getreten waren. Als Experte für die Unterstützung von Bauvorhaben mit staatlichen Mitteln wurde er Leiter der Wiederaufbaukasse, einer Abteilung der Hamburgischen Landesbank, wo er sich zunächst mit dem Aufbau dieser Institution befasste, aber auch Gedanken zur Finanzierung des Wiederaufbaus in ganz Deutschland entwickelte, die er im Juni 1946 in der Wochenzeitung DIE ZEIT veröffentlichte.

Baugenossenschaft Süderelbe

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stand Deutschland vor gewaltigen Aufgaben beim Wiederaufbau der Infrastruktur. In Hamburg stellte nach den verheerenden Zerstörungen der alliierten Bombenangriffe die Beschaffung von Wohnraum eine besonders große Herausforderung dar. In dieser Situation bot die Gründung einer Genossenschaft ihren Mitgliedern die Möglichkeit, die hohen Kosten für den Bau von Wohnraum durch Eigenleistungen zu mindern. Neben anderen Baugenossenschaften wurde 1947 die Baugenossenschaft Süderelbe gegründet, deren Tätigkeit auf das 1937/8 mit dem Groß-Hamburg-Gesetz südlich der Elbe an Hamburg angegliederte Gebiet ausgerichtet war. Mit dem Bau der Waldfrieden-Siedlung als einem Pilotprojekt nahm sie ihre Bautätigkeit 1948 auf. Max Leuteritz wurde bald nach der Gründung der Genossenschaft im September 1947 in den Aufsichtsrat gewählt und konnte seine umfangreichen Kenntnisse in der Finanzierung des Wohnungsbaus in die Beratungen zum Bau der Waldfrieden-Siedlung einbringen.

Siedlung Waldfrieden 1949 (Quelle: Archiv Baugenossenschaft Süderelbe, VE 01-03)

"Wiedergutmachung" ?

Max Leuteritz starb am 12. April 1949 an einer schweren Krankheit, kurz vor seinem 65. Geburtstag. Bis dahin hatte er für die Haftzeiten in Fuhlsbüttel keine Haftentschädigung erhalten und auch die seit 1933 infolge der Entlassung entstandenen Einkommensverluste wurden nicht ausgeglichen. Erst seine Erbengemeinschaft konnte aufgrund einer neuen gesetzlichen Regelung derartige Leistungen beantragen, musste dafür jedoch detailliert nachweisen, in welcher Höhe Einkommensverluste entstanden waren. Dazu wurden die Gehälter, die Max Leuteritz bei einer Fortsetzung seiner Tätigkeiten nach 1933 zugestanden hätten, mit den Einnahmen aus dem Betrieb der Ferienpension abgeglichen. Das sehr bürokratische und langwierige Verfahren führte beispielsweise zu einer Nachfrage beim Berlin Document Center, ob Max Leuteritz oder seine Ehefrau der NSDAP oder einer ihrer Unterorganisationen angehört hätten, eine in diesem Fall kaum nachvollziehbare gesetzliche Bestimmung. Von der Antragstellung im Jahr 1954 bis zur Auszahlung einer Entschädigung vergingen 8 Jahre. Dies wirft ein Schlaglicht auf die Praxis der Entschädigung, die nach dem Gesetz mit der fragwürdigen Bezeichnung der "Wiedergutmachung" im Titel gewährt wurde ("Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes" von 1951).

Deckblatt der Wiedergutmachungsakte (Quelle: Staatsarchiv Hamburg, 351-11_7516 Leuteritz, Max Hugo)

Erinnerung

Obwohl er in der Politik zur Zeit der Weimarer Republik und in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg eine herausgehobene Rolle gespielt hat, erinnert in Hamburg heute wenig an Max Leuteritz. In Darstellungen zu Verfolgung und Widerstand in Hamburg wird sein Name nicht erwähnt. Die Hamburgische Bürgerschaft nennt seinen Namen in der Liste ehemaliger Präsidentinnen und Präsidenten, geht aber nicht auf Leben und Wirken dieser Personen ein. Der Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten führt seinen Namen in den einschlägigen Veröffentlichungen und Datenbanken nicht auf. Das mag daran liegen, dass Max Leuteritz sich in der Zeit des Nationalsozialismus nicht so exponiert hat wie andere, nicht im Exil war und die NS-Zeit körperlich unversehrt überstanden hat. Aber auch der Rückzug in die innere Emigration und die Verweigerung gegenüber dem NS-Regime machen einen bedeutsamen Unterschied im Vergleich zu den vielen Millionen Zeitgenossen, die gerne und bereitwillig dieses Regime unterstützt haben. Heute erinnern eine kleine Nebenstraße in Wandsbek und vor allem ein Stolperstein vor seinem ehemaligen Wohnhaus in Neugraben an Max Leuteritz.

Literatur

Friedrich-Wilhelm Witt: Die Hamburger Sozialdemokratie in der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1929/30 - 1933 (Hannover 1971)

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Signatur 72 U 2891

Walter Tormin: Die Geschichte der SPD in Hamburg 1945 - 1950 (Forum Zeitgeschichte Bd. 4, Hamburg 1994)

Digitalisat

Wohnungsbaugesellschaft "Süderelbe" e.G. (Hrsg.): 75 Jahre Süderelbe (Hamburg 2022)

Geschichtswerkstatt Süderelbe

Quellen

Der Kampf der Sozialdemokratie um das Rathaus in Hamburg / von Bürgermeister Otto Stolten, Senator Heinrich Stubbe, Senator Emil Krause, Parteivorsitzender Max Leuteritz

In seinem Aufsatz "Die Revolution und die Bürgerschaft" beschreibt Max Leuteritz aus sozialdemokratischer Sicht der Ereignisse von der Novemberrevolution 1918 bis zur Wahl der Bürgerschaft 1919.
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky
NL Egge Bib: 777

G. Auhagen: Vom Werden und Wirken der 'Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsbaugenossenschaft Süderelbe e.G.'

Im ersten Band seiner Darstellung schildert G. Auhagen als langjähriges Vorstandmitglied die Entwicklung der Baugenossenschaft Süderelbe von ihren Anfängen bis zum Bau der Waldfrieden-Siedlung am Falkenbergsweg.
Archiv der Baugenossenschaft Süderelbe
VE 01-03

Weblinks

Das Parlamentarier-Portal bietet in einer Datenbank Informationen zur Mitgliedschaft von Max Leuteritz in der SPD und der Gewerkschaft sowie seinen Funktionen. Außerdem gibt es hier eine politische Kurz-Biografie.
In diesem Artikel erläutert Max Leuteritz seine Grundgedanken zur Finanzierung des Wiederaufbaus.

Bildmaterial